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Was genau ist eigentlich Yoga?

Der 8-stufige Pfad des Patanjali – Oder: Wo bitte geht’s hier nach Samadhi?

Die meisten von uns lernen Yoga als Asana-Praxis kennen, z.B. um endlich die leidigen Rückenschmerzen loszuwerden. Oder um so toll geformte Oberarme wie Jennifer Aniston zu bekommen. Und dann bleiben wir irgendwie dabei – weil wir uns nach der Stunde endlich mal wieder so richtig gut fühlen oder weil wir in den 90 Minuten ein Stückchen näher zu uns selbst rübergerutscht sind und ahnen, dass da noch viel mehr drinsteckt.

Was gibt’s da noch zu entdecken? Fangen wir vorne an.

Was ist denn eigentlich Yoga?

Patanjali, eine der bedeutendsten Persönlichkeiten des Yoga, sagt in seinen Lehrschriften, dem Yogasutra [Kapitel 1.2]:

“Yogah cittavrtti nirodhah”
Yoga ist der Zustand, in dem der Geist zur Ruhe kommt.

Klingt super, das brauch ich auch! Und wie geht das? Auch darauf gibt uns Patanjali eine Antwort. Im zweiten Kapitel des Yogasutra beschreibt er den ganzheitlichen Übungsweg zur Überwindung der Kleshas, der störenden Kräfte, als 8-gliedrigen Pfad. Das spannende daran ist, dass diese Schriften ziemlich alt sind (genau weiss man’s nicht, aber man vermutet so an die 2000 Jahre) und dabei trotzdem so unglaublich zeitlos. Die 8 Übungsglieder bieten auch im 21. Jahrhundert eine praktische Anleitung, wie man den Zustand von Yoga erreichen kann.

Der 8-stufige Pfad im Überblick:

  • Yama – Verhaltensregeln im Umgang mit der Natur und anderen Menschen.
  • Niyama – Verhaltensregeln im Umgang mit uns selbst.
  • Asana – Körperübungen.
  • Pranayama – Atemübungen.
  • Pratyahara – Der Rückzug der Sinne nach Innen.
  • Dharana – Konzentration und Ausrichtung des Geistes.
  • Dhyana – Meditation.
  • Samadhi- Vollkommene Erkenntnis, Einheitserfahrung.

Yamas und Niyamas sind Verhaltensregeln, wie man Yoga im Alltag, abseits der Matte, praktizieren soll. Denn auch wenn wir Yoga für bzw. mit uns selbst üben, leben wir nicht einsam in einer Bärenhöhle sondern sind immer noch auf ein soziales Miteinander angewiesen.

Die 5 Yamas, also Regeln im Umgang mit unserer Umwelt, sind:

  • Ahimsa: Gewaltlosigkeit.
  • Satya: Wahrhaftigkeit.
  • Asteya: Nicht-Stehlen.
  • Brahmacarya: Handeln im Bewusstsein des „Göttlichen“.
  • Aparigraha: Anspruchslosigkeit.

Die 5 Niyamas sind eine Anleitung zum Umgang mit uns selbst:

  • Shauca: Reinigung von Körper und Geist.
  • Santosha: Genügsamkeit und Dankbarkeit.
  • Tapas: Disziplin.
  • Svadhyaya: Selbststudium.
  • Ishvara Pranidhana: Hingabe an das „Göttliche”.

Copyright Eden Goldman

Asanas sind Körperübungen und sollen die Gesundheit erhalten bzw. wiederherstellen und die  Widerstandsfähigkeit des Körpers steigern. Durch Asanas soll der Körper auf die Meditation, also das lange Sitzen, vorbereiten werden.

Durch Pranayama lernen wir, den unregelmässigen Atem zu zähmen und ihn lang und fein werden zu lassen. Damit bildet Pranayama in gewisser Weise ein Tor zwischen Körper und Geist. Denn mit dem Atem können wir das Prana, die Lebensenergie, beeinflussen.

Pratyahara meint das Besänftigen der Sinne, die im Alltag ganz unkontrolliert auf äußere Reize reagieren, und schließlich ihren Rückzug nach Innen.

Die letzten 3 Stufen nennt Patanjali Samyama, das bedeutet Versenkung. Dazu gehört Dharana, die anhaltende Ausrichtung des Geistes und die Steigerung davon: Dhyana, die Meditation. Samadhi, das Ziel des Yogawegs, ist die aus den beiden vorangehenden Gliedern resultierende vollkommene Erkenntnis, die innere Freiheit bringt.

Fazit: Zum Yoga gehört also viel mehr als Asanas zu üben bis sie perfekt aussehen. Wenn wir dem Pfad achtsam folgen und Atem, Geist und Sinne mit in unsere Praxis einbeziehen, erhalten wir einen ganzheitlichen Übungsweg. Auch wenn das Erreichen von absoluter Freiheit vielleicht ein ganz schön hoch gestecktes Ziel sein mag, lernen wir unterwegs nach und nach eine Menge über uns selbst. Und erhalten dabei die Möglichkeit festgefahrene Verhaltensmuster, die Ursache für unser Leid, zu erkennen und für die Zukunft zu ändern. Dass das freilich nicht von Heute auf Morgen geht, ist klar. Also nur Geduld, dranbleiben und üben üben üben! Und dabei nie vergessen: Der Weg ist das Ziel – das gilt natürlich auch beim Yoga.

Wer mehr über das Yogasutra und den 8-gliedrigen Pfad lesen möchte, guckt am besten hier rein: Das Yogasutra: Von der Erkenntnis zur Befreiung

 

[Dieser Artikel erschien am 7. Dezember 2012 im happymindmagazine.de]